Wie ein Bergführer aus Peru RWE verklagt (Klagen für Klimagerechtigkeit #2)

Shownotes

In dieser Folge tauchen wir in einen bemerkenswerten Rechtsstreit ein. Saúl Luciano Lliuya, ein Kleinbauer aus den peruanischen Anden, hat mit seiner Klage gegen den deutschen Energiekonzern RWE weltweit für Aufsehen gesorgt. Er fordert, dass das Unternehmen Verantwortung übernimmt für die Klimaschäden, die es weltweit und besonders in seiner Heimatstadt Huaraz verursacht. Bereits heute hat der Fall mit seinen Erfolgen Rechtsgeschichte geschrieben.

Unsere Kolleg:innen Caroline Schroeder und Dr. Marlene Becker geben Einblick in ihre spannende Arbeit zum Fall RWE und erzählen, wie es sich anfühlt, wenn man die Folgen des Klimawandels in den Anden live beobachtet und sieht, wie ein Eisblock von einem Gletscher abbricht. Auch der Kläger Saúl Luciano Lliuya kommt in unserer Folge zu Wort und berichtet über seine Erfahrungen und Eindrücke in dem bislang achtjährigen Verfahren.


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Die in den Zitaten vertretenen Meinungen und Positionen geben nicht zwingend die Ansichten von Germanwatch wieder.

Wir danken Lukas Kiefer (Saul Luciano Lliuya), Thea Uhlich (Dr. Roda Verheyen) und David Hübner (José Valdivia) für ihre Unterstützung bei der Aufnahme der übersetzten spanischen Beiträge.


Idee: Caroline Schroeder

Redaktion: Elisa Thomaset

Schnitt: Podcast Plattform

Musik: perplex

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Saúl Lliuya [00:00:02]:

Saúl Lliuya [00:00:02]:

Saúl Lliuya [00:00:02]: Die Klage habe ich vor allem wegen dieses Hauses eingereicht. Im Jahr 1941 gab es eine große Flutwelle, die genau durch dieses Gebiet hier kam. Fachleute sagen, dass weitere Flutwellen genau dieses Gebiet treffen würden und es zu einer Überschwemmung kommen würde. Ich habe das Unternehmen RWE wegen der Umweltscheiden verklagt, die es verursacht hat.

Saúl Lliuya [00:00:02]:

Elisa Thomaset [00:00:28]:

Elisa Thomaset [00:00:28]:

Elisa Thomaset [00:00:28]: Herzlich willkommen bei Zukunftsfähig, Euer Podcast für eine nachhaltige globale Gesellschaft. Mein Name ist Elisa Tomazat und ich arbeite in der Kommunikation der Klima- und Umweltorganisation German Watch. In der letzten Folge unserer Reihe Klagen für Klimagerechtigkeit haben wir darüber gesprochen, was Klimaklagen eigentlich sind. Dabei ging es unter anderem darum, dass es Klagen gegen Regierungen gibt, aber auch Klagen Unternehmen. Und darum soll es in dieser Folge gehen. 100 der größten Unternehmen dieser Welt sind verantwortlich für 70 Prozent der globalen Emissionen. Wir sollten deshalb auch für die Risiken und Schäden aufkommen, die sie woanders auf der Welt verursachen. Konkret werden wir heute über den Fall RWE sprechen und den Kläger Saul Luciano Lluya kennenlernen. Dabei sprechen wir einmal über seine Beweggründe, die Hintergründe der Klage in der Stadt Huaraz in Peru und lernen die Arbeit von Germanwatch zum Fall kennen. Leider kann Saúl heute nicht dabei sein, aber meine Kolleginnen Dr. Marlene Becker und Caroline Schröder, die schon seit mehreren Jahren mit ihm zusammenarbeiten, haben ihm vor der Aufnahme unserer Folge einige Fragen zugeschickt, die er dankenswerterweise für uns beantwortet hat. Im Verlauf unseres Gesprächs werdet ihr also immer wieder seine Stimme hören und erfahren, wie Saúl zu den einzelnen Fragen steht.

Elisa Thomaset [00:00:28]:

Marlene Becker [00:01:48]:

Marlene Becker [00:01:48]:

Marlene Becker [00:01:48]: 000 mein Gott! Kamera hier! Oh mein Gott! Oh mein Gott! Willst du dich umbringen? Ja. Willst du dich umbringen? Ich hoffe es. Oh mein Gott!

Marlene Becker [00:01:48]:

Elisa Thomaset [00:02:06]:

Elisa Thomaset [00:02:06]:

Elisa Thomaset [00:02:06]: Die Tonaufnahmen, die wir gerade gehört haben, kommen aus einer Doku, die wir über den Fall RWE gedreht haben. Und zwar hört man da so ein ganz lautes Krachen, aber da wir ja jetzt das Filmmaterial nicht vor Augen haben. Marlene, du warst ja dabei, als das passiert ist. Magst du da mal erzählen, was da passiert, was haben wir da gerade genau gehört?

Elisa Thomaset [00:02:06]:

Marlene Becker [00:02:25]:

Marlene Becker [00:02:25]:

Marlene Becker [00:02:25]: Ja, die Situation ist oben an der Laguna Peikakotxa und was wir hören oder Die Menschen, die wir hören, sehen da gerade, wie ein Eisklotz von einem Berggipfel runterrollt und Richtung Tal kullert und hinterlässt dann so eine ganz große Schneewolke. Der Klotz war aber

Marlene Becker [00:02:25]:

Marlene Becker [00:02:40]:

Marlene Becker [00:02:40]:

Marlene Becker [00:02:40]: Gott sei Dank so klein, dass er

Marlene Becker [00:02:40]:

Marlene Becker [00:02:42]:

Marlene Becker [00:02:42]:

Marlene Becker [00:02:42]: dann am Hang auch hängen geblieben ist und auch nicht in die Lagune gefallen ist. Und für was er ein ganz gutes Symbol ist oder was sich da in dem Moment ja zeigt, ist das, wie der Klimawandel in den Anden wirkt. Das heißt ja,

Marlene Becker [00:02:42]:

Marlene Becker [00:02:51]:

Marlene Becker [00:02:51]:

Marlene Becker [00:02:51]: dieser Stein ist eigentlich ein Symbol für

Marlene Becker [00:02:51]:

Marlene Becker [00:02:52]:

Marlene Becker [00:02:52]:

Marlene Becker [00:02:52]: die Gletscherschmelze, die vor Ort da passiert. Und so gesehen, wo wir da standen, wir standen genau vor der Lagune. Das ist ein tiefblauer See, der ist dann umrandet von wunderschönen, auch noch schneebedeckten Gipfeln. Und wenn man auch da steht, man fühlt sich auf keinen Fall sicher. Man hört neben dem Gepolter von diesem großen Stein immer wieder ein Kletschern und auch ein Krachen. Der Schein trügt sogar. Der See liegt ruhig da, aber man merkt, dass einfach im Hintergrund viel passiert. Und es geht ja auch genau in dem Fall von Saoul diese Gletscherschmelze und die Lagune, wo wir da vor Ort standen. Und das ist ja genau der Dreh- und Angelpunkt der Klage. Und das Spannende ist, die Angst, die es vor Ort gibt, Die Lagune zählt zu einem der gefährlichsten der Region. Ist das ein größerer Eisklotz, also nichts im Vergleich zu dem, den wir da vor Ort gesehen haben, in den Bergsee reinstürzen könnte und dass der dann eine Flutwelle auslöst. Und unter dem, also der See liegt auf 1400 Metern Höhe, unter dem See, circa 20 Kilometer teileinwärts, ist die Stadt Huaraz. Und dort wohnt Saúl und seine Familie und mit ihm natürlich noch die ganzen Einwohnerinnen der Stadt, die dann massiv von so einer Flutkatastrophe bedroht wären.

Marlene Becker [00:02:52]:

Elisa Thomaset [00:03:56]:

Elisa Thomaset [00:03:56]:

Elisa Thomaset [00:03:56]: Wir haben ja bei unserem Gespräch auch mit Saoul gesprochen oder ihm ein paar Fragen zukommen lassen, wo er auch einmal drüber spricht, über genau diese Angst, die du hier beschreibst, also vor dem Klimawandel oder was er jetzt schon beobachtet, wie sie jetzt dort den Klimawandel beobachten. Das können wir uns ja mal kurz anhören.

Elisa Thomaset [00:03:56]:

Saúl Lliuya [00:04:17]:

Saúl Lliuya [00:04:17]:

Saúl Lliuya [00:04:17]: Es gibt Jahre, in denen es regnet und Jahre, in denen es nicht regnet. Aufgrund des Klimawandels und auch wegen der Phänomene El Niño und La Niña werden die Regenperioden immer kürzer. Wenn es nicht regnet, sind die Landwirte sehr besorgt ihre Aussaat.

Saúl Lliuya [00:04:17]:

Saúl Lliuya [00:04:32]:

Saúl Lliuya [00:04:32]:

Saúl Lliuya [00:04:32]: Und wenn

Saúl Lliuya [00:04:32]:

Saúl Lliuya [00:04:32]:

Saúl Lliuya [00:04:32]:

Saúl Lliuya [00:04:32]: der Regen zu spät kommt, ist die Sorge groß, denn der Fluss wird zur Bewässerung, zur Befeuchtung des Bodens und zum Säen genutzt. Dann gibt es Schwierigkeiten, weil viele Menschen Wasser brauchen. Man spürt die Auswirkungen des Klimawandels, weil das Wasser früher ausreichend war und in den letzten Jahren weniger geworden ist.

Saúl Lliuya [00:04:32]:

Elisa Thomaset [00:04:57]:

Elisa Thomaset [00:04:57]:

Elisa Thomaset [00:04:57]: Jetzt ist aber die Lagune und auch der See, von dem du gesprochen hast, oder auch das Zuhause von Saoul, ja sehr weit von uns entfernt, genau zu sein, 11.000 Kilometer und damit auch von dem Standort der Firma RWE, die es ja auch in der Klage geht. Was genau hat jetzt dieser Fall dort vor Ort mit RWE zu tun, Caro?

Elisa Thomaset [00:04:57]:

Marlene Becker [00:05:20]:

Marlene Becker [00:05:20]:

Marlene Becker [00:05:20]: Genau, in dieser Klimaklage geht es eben darum, dass Saul von RWE fordert, Verantwortung zu übernehmen. Also RWE ist eines der größten Emittenten Europas und trägt natürlich dementsprechend auch zur Klimakrise bei. Laut einer Studie, der Carbon Major Studie, hat RWE inzwischen oder seit der Industrialisierung 0, 47%

Marlene Becker [00:05:20]:

Marlene Becker [00:05:44]:

Marlene Becker [00:05:44]:

Marlene Becker [00:05:44]: zum globalen Klimawandel beigetragen. Und dementsprechend trägt eben auch RWE zu dieser Gletscherschmelze in den Anden bei, die ja Saul und die Menschen aus Huadas erleben. Und in diesem Fall geht es eben ganz konkret darum, dass RWE sich an Schutzmaßnahmen beteiligen soll, Denn RWE trägt zu diesem Flutrisiko bei und es soll ein Schutzdamm an der Laguna Palcacoccia gebaut werden.

Marlene Becker [00:05:44]:

Elisa Thomaset [00:06:08]:

Elisa Thomaset [00:06:08]:

Elisa Thomaset [00:06:08]: Okay und das wäre dann eben genauso eine Klage gegen Unternehmen. Wir haben ja in der letzten Folge schon sehr viel über Klimaklagen gesprochen. Da ging es ja vor allem Klagen gegen Regierungen. Vielleicht für diejenigen, die keine Chance hatten, das anzuhören, könnt ihr oder eine von euch das noch mal kurz zusammenfassen, was es genau mit Klimaklagen auf sich hat.

Elisa Thomaset [00:06:08]:

Marlene Becker [00:06:28]:

Marlene Becker [00:06:28]:

Marlene Becker [00:06:28]: Klimaklagen sind Klagen, die sich für ambitionierteren Klimaschutz einsetzen, sind menschenweltweit die Klagen erheben. In der Mehrheit sind es immer noch Klagen gegen Regierungen. Es gibt aber auch immer mehr Klagen gegen Unternehmen, wie hier in dem Fall RWE oder Shell, wo die Betroffenen sich für mehr Klimaschutz einsetzen. Oder im Fall von RWE für Schutzmaßnahmen vor Ort.

Marlene Becker [00:06:28]:

Elisa Thomaset [00:06:47]:

Elisa Thomaset [00:06:47]:

Elisa Thomaset [00:06:47]: Und wenn wir über die Betroffenen sprechen und uns jetzt genau diese Klage hier anschauen, wer genau ist denn Saul?

Elisa Thomaset [00:06:47]:

Marlene Becker [00:06:57]:

Marlene Becker [00:06:57]:

Marlene Becker [00:06:57]: Mein

Marlene Becker [00:06:57]:

Saúl Lliuya [00:07:00]:

Saúl Lliuya [00:07:00]:

Saúl Lliuya [00:07:00]: Name ist Saul Luciano Llulla. Ich komme aus einer Familie von Kleinbauern. Ich bin Kleinbauer und arbeite zusätzlich als Bergführer. Der Hauptgrund für meine Klage ist die Gletscherspelze.

Saúl Lliuya [00:07:00]:

Elisa Thomaset [00:07:17]:

Elisa Thomaset [00:07:17]:

Elisa Thomaset [00:07:17]: Marlene, du hast Saúl ja schon kennengelernt. Magst du vielleicht ein bisschen über ihn erzählen und wie ihr euch kennengelernt habt?

Elisa Thomaset [00:07:17]:

Marlene Becker [00:07:23]:

Marlene Becker [00:07:23]:

Marlene Becker [00:07:23]: Ich habe Saoul in seiner Heimatstadt in Huaraz kennengelernt. Und zwar war das letztes Jahr, dass ich ihn dann persönlich vor Ort getroffen habe. Das war im Rahmen der Beweisaufnahme im Fall RWE. Ich bin sehr beeindruckt von ihm. Er ist ein ruhiger, nachdenklicher Mensch mit einem sehr guten Humor. Ich habe ihn getroffen und auch seine Familie und seine Kinder in seinem Haus. Wir sind dort zum Essen eingeladen worden und saßen an einem großen Tisch und sind köstlich beherbergt worden.

Marlene Becker [00:07:23]:

Elisa Thomaset [00:07:52]:

Elisa Thomaset [00:07:52]:

Elisa Thomaset [00:07:52]: Jetzt hat Saúl in dem Zitat erzählt, dass der Hauptgrund für seine Klage die Gletscherschmelze ist. Inwieweit sind denn die Menschen von Huaraz vom Klimawandel betroffen?

Elisa Thomaset [00:07:52]:

Saúl Lliuya [00:08:07]:

Saúl Lliuya [00:08:07]:

Saúl Lliuya [00:08:07]: Wir nehmen den Klimawandel hier wahr. Wir sehen ihn anhand der Berge. Als ich als Bergführer anfing mit Touristen zu arbeiten, konnte ich beobachten, wie sich die Gletscher zurückziehen. Es wird immer schlimmer. Und auch die alten Bergführer und Träger erzählen, wie die Gletscher früher aussahen und wie nun die Gletscher schmelzen und die Gletscherseen gewachsen sind. Der Palca-Cotxa-See ist auf das 34-fache seines Volumens angewachsen Und das ist eine Gefahr, eine Bedrohung für meine Stadt. Eine Lawine durch einen Gletscherabgang würde eine Katastrophe auslösen.

Saúl Lliuya [00:08:07]:

Saúl Lliuya Original [00:08:39]:

Saúl Lliuya Original [00:08:39]:

Saúl Lliuya Original [00:08:39]: Die Lagune Palcacocha hat 34 Mal größer geworden. Das ist ein Gefahr für meine Stadt. Und wenn ein Schleppenschlag oder ein Avalanche erfolgt, kann ein Desaster erfolgen.

Saúl Lliuya Original [00:08:39]:

Marlene Becker [00:09:00]:

Marlene Becker [00:09:00]:

Marlene Becker [00:09:00]: Da ist bei Saúl schon raus, dass er den Klimawandel einfach schon seit langem beobachtet. Er ist ja auch Bergführer, also ist jetzt gerade wahrscheinlich, wo wir hier sitzen, in den Bergen unterwegs und führt Gruppen hoch auf den Gipfel. Also er kennt die Anden in- und auswendig oder besonders die Region rund Huaraz und er hat eben beobachtet, dass genau die Gletscher verschwinden. Und die andere Dimension ist aber auch, dass zum einen haben wir dieses Flutrisiko, weil dieser Gletschersee immer größer wird, aber Wir haben eben auch auf der anderen Seite den Wassermangel. Das Gletscherwasser ist eben auch für die Landwirtschaft vor Ort, für die Wasserversorgung der Stadt war das ganz wichtig. Und wenn die Gletscher schmelzen, dann schwindet auch das Wasser. Und das ist natürlich auch ein großes Problem vor Ort.

Marlene Becker [00:09:00]:

Elisa Thomaset [00:09:47]:

Elisa Thomaset [00:09:47]:

Elisa Thomaset [00:09:47]: Ihr habt da ja auch verschiedene Partnerorganisationen vor Ort, beziehungsweise besonders die Wayinzig-Organisation. Haben wir auch mit jemandem gesprochen. Mögt ihr vielleicht noch mal kurz was zu ihm sagen, wer das ist und inwieweit ihr da zusammenarbeitet.

Elisa Thomaset [00:09:47]:

Marlene Becker [00:10:03]:

Marlene Becker [00:10:03]:

Marlene Becker [00:10:03]: YINZIG ist eine Initiative, die auch auf Saul und andere besorgte Menschen vor Ort zurückgeht, die sich zusammengeschlossen zu haben zu einer Organisation, die vor Ort auf der einen Ebene Bildungsarbeit machen zum Thema Klimawandel und auch zu Anpassungsmaßnahmen, unter besonders mit bäuerlichen Gemeinden zusammenarbeiten, aber die sich auch insgesamt für das ganze Thema die Flutrisiko und den Schutz vor dem Flutrisiko auseinandersetzen und auch welche weiteren Schutzmaßnahmen braucht es vor Ort. Und wen wir gleich hören, ist José, der vor Ort arbeitet und der zusammen ein Projekt gemacht hat, wo es genau eine Kartierung der Flutrisiken geht und auch genau die Region, wo Saúl's Haus steht.

Marlene Becker [00:10:03]:

Saúl Lliuya [00:10:43]:

Saúl Lliuya [00:10:43]:

Saúl Lliuya [00:10:43]: Mein Name ist José Valdivia. Ich bin Ingenieur und war in der Entwicklung der Evakuierungsrouten in Huaraz beteiligt. Auf dieser Karte sind die verschiedenen Gefahrenstufen zu erkennen. Man sieht sofort, dass das Stadtzentrum eine Risikozone ist. Von hier aus hätte man 20 Minuten Zeit, sich zu retten, sobald das Frühjahrssystem Alarm schlägt. Das Haus von Sao Luia befindet sich in Nueva Florida und damit mitten in einer Hochrisikozone. Es befindet sich in einer Sackgasse, in der es keine richtigen Fluchtwege gibt. Zu entkommen, müsst ihr in den Fluss überqueren, was sehr gefährlich wäre. Ungefähr 50.000 Menschen wären von einer möglichen Flutwelle betroffen. Denn beide Lagunen fließen an der selben Stelle zusammen, nämlich in der Stadt Juaraz.

Saúl Lliuya [00:10:43]:

Marlene Becker [00:11:34]:

Marlene Becker [00:11:34]:

Marlene Becker [00:11:34]: Genau wie das José beschreibt es, in der Stadt sieht man überall Evakuierungsschilder, Evakuierungsrouten, wo man im Notfall hingehen muss, stehen, sie reden in der Stadt. Es wurde ja auch ein Frühwarnsystem am See installiert. Das muss man sich vorstellen, dass vor Ort, der See ist ja jetzt seit den 70er Jahren das 34-fache angewachsen. Das heißt, auch die Sicherungsmaßnahmen, die oben am Berg sind, müssten eigentlich dem neuen Volumen des Sees angepasst werden. Es gibt Bergwächter, die Tag und Nacht am See wache halten, ergänzt durch ein Alarmsystem. Es gab auch schon in der Vergangenheit Abgänge von größeren Gletschern, die dann Gott sei Dank noch so klein waren, dass der Staudamm es halten konnte. Aber auch der Katastrophenschutzbehörden in Peru schätzen die Lagune als eine der gefährlichsten in der Region ein. Das heißt, diese Gefahr eines Ausbruchs ist omnipräsent auch im Stadtbild.

Marlene Becker [00:11:34]:

Elisa Thomaset [00:12:21]:

Elisa Thomaset [00:12:21]:

Elisa Thomaset [00:12:21]: Und gibt es da andere Maßnahmen oder andere Forderungen, die die Bevölkerung vor Ort hat, sich eben vor so einer Flutwelle zu schützen?

Elisa Thomaset [00:12:21]:

Marlene Becker [00:12:30]:

Marlene Becker [00:12:30]:

Marlene Becker [00:12:30]: Wenn es Katastrophenschutz vor Ort geht, muss man das als ein großes Infrastrukturprojekt denken. Es ist auf der einen Ebene, wie hoch muss so eine Staudammmauer sein, dass sie den Folgen der globalen Erwärmung gewachsen ist. Aber auch, was Caro angesprochen hat, was passiert, wenn die Gletscher abgeschmolzen sind mit der Trinkwasserversorgung? Welche Form von weiteren Abflussbecken braucht es da vor Region noch? Was muss man vielleicht auch nochmal an für andere Pflanzen, an den Bergpflanzen und so weiter? Es ist ein komplexes System, wo auch unsere Partnerorganisationen vor Ort zu arbeiten.

Marlene Becker [00:12:30]:

Elisa Thomaset [00:13:04]:

Elisa Thomaset [00:13:04]:

Elisa Thomaset [00:13:04]: Okay, ja, das kann ich mir vorstellen, dass das auch gar nicht so einfach abzuschätzen ist, wie sich das alles ändern würde. Jetzt haben wir ja vorhin schon über die Klage gesprochen, die ja dann gegen RWE erhoben wurde. Caro, du hast ja vorhin schon mal gesagt, warum RWE oder vielleicht gar nicht warum, sondern eher was soll RWE tun, wenn ihr jetzt schon sagt, vor Ort ist irgendwie schwierig, da noch weitere Maßnahmen zu treffen. Welche Rolle kommt da RWE zu?

Elisa Thomaset [00:13:04]:

Marlene Becker [00:13:30]:

Marlene Becker [00:13:30]:

Marlene Becker [00:13:30]: Genau, Es geht ja darum, dass RWE sich an den Kosten beteiligt, die eben natürlich entstehen für die Konstruktion dieses Schutzdammes. Und zwar die Klage argumentiert, dadurch, dass RWE

Marlene Becker [00:13:30]:

Saúl Lliuya [00:13:44]:

Saúl Lliuya [00:13:44]:

Saúl Lliuya [00:13:44]: 0, 47

Saúl Lliuya [00:13:44]:

Marlene Becker [00:13:45]:

Marlene Becker [00:13:45]:

Marlene Becker [00:13:45]: Prozent an den globalen Emissionen, also Anteil trägt. Dementsprechend soll auch RWE sich an den Kosten beteiligen. Das sind umgerechnet 20.000 Euro ungefähr, die RWE zahlen soll, damit der Schutzdamm gebaut werden kann. Darum geht es in der Klage, in diesem Zivilprozess. Es ist natürlich nicht viel Geld, wenn man bedenkt, was RWE für Gewinne macht. Aber es geht natürlich das Ding. Wenn jetzt RWE tatsächlich per Gericht oder per Urteil dazu verpflichtet wird, das zu zahlen, dann kann das natürlich viel weltweit in Bewegung setzen. Dann könnten eben auch andere Emittenten zur Verantwortung gezogen werden. Also es geht ganz klar darum, inwieweit große Emittenten Verantwortung übernehmen für Risiken und Schäden, die sie verursachen.

Marlene Becker [00:13:45]:

Caroline Schroeder [00:14:36]:

Caroline Schroeder [00:14:36]:

Caroline Schroeder [00:14:36]: Wir haben

Caroline Schroeder [00:14:36]:

Caroline Schroeder [00:14:36]:

Caroline Schroeder [00:14:36]:

Caroline Schroeder [00:14:36]: mit RWE begonnen und wir fordern nur, dass RWE einen Teil der Kosten übernimmt, die zur Beseitigung des Flutrisikos am Palka-Kotscher See erforderlich sind. Wir sagen also nicht, dass RWE für alles oder für den gesamten weltweiten Klimawandel verantwortlich ist, sondern nur für den Anteil, den sie emittiert haben, also 0, 47 Prozent der weltweiten Emissionen. In dieser Höhe müssen sie für die Kosten der Anpassung an den Klimawandel aufkommen. Und es geht uns nicht darum, ein Molekül aus RWE-Anlagen in die peruanischen Anden zu verfolgen. Das ist hier nicht der Fall, weil es nicht notwendig ist. Der Klimawandel ist ein kumulatives Problem. Emissionen von einer Seite des Globus wirken sich im Grunde auf den ganzen Globus aus. Das ist das Konzept des Falles. Globale Nachbarschaft.

Caroline Schroeder [00:14:36]:

Marlene Becker [00:15:33]:

Marlene Becker [00:15:33]:

Marlene Becker [00:15:33]: Das ist Dr. Roda Verheyen, die Rechtsanwältin von Saoul in dem Verfahren. Eine sehr bekannte Rechtsanwältin, also auf dem Gebiet der Klimaklagen auf jeden Fall sehr bekannt. Und ja, Was sie sagt, das sagt sie sehr oft, weil einfach die Frage immer ist, wie kann das sein? RWE hat doch gar keine Niederlassung in Peru. Wie kann denn dann RWE zur Verantwortung gezogen werden für ein Risiko, das einfach viele tausende Kilometer weit weg ist von seinem Standort in Essen in Nordrhein-Westfalen? Und genau die Klage zeigt eben, Klimawandel ist ein kumulatives Phänomen. Es betrifft uns alle. Es ist sozusagen global.

Marlene Becker [00:15:33]:

Elisa Thomaset [00:16:08]:

Elisa Thomaset [00:16:08]:

Elisa Thomaset [00:16:08]: Rodolfa Hain spricht in ihrem Zitat eben auch von der globalen Nachbarschaft. Und ich finde das ganz spannend, weil ich weiß noch, als ich bei German Watch angefangen habe, habe ich in der ersten oder zweiten Woche einen Text von euch Korrektur gelesen, wo es auch diese globale Nachbarschaft ging. Und ich weiß noch, wie ich mir so dachte, wow, das ist irgendwie ein richtig schönes symbolisches Bild, was irgendwie so Solidarität geht und eben diese globalen Ausmaße des Klimawandels. Aber als ich mehr in den Text gelesen habe, ist mir aufgefallen, da geht es noch mehr. Das ist nicht nur ein Symbolbild. Könnt ihr erklären, was es mehr mit der globalen Nachbarschaft noch auf sich hat.

Elisa Thomaset [00:16:08]:

Marlene Becker [00:16:47]:

Marlene Becker [00:16:47]:

Marlene Becker [00:16:47]: Das leitet sich unter anderem aus dem rechtlichen Paragrafen ab, aus dem das Verfahren basiert. Und zwar geht es hier Paragraf 1004 aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Und das nennt man den Nachbarschaftsparagraf, weil es eigentlich darum geht, dass dieser Paragraf greift, wenn ich einen Streit mit meinen Nachbarn habe. Sagen wir mal, da steht eine Mauer auf dem Grundstück, die fällt in meine Richtung und ich möchte das nicht, könnte ich mich so gesehen, den Schaden zu beheben, auf diesen Paragrafen beziehen. Und genau diesen Paragrafen ist jetzt im Fall RWE, kommt hier zur Anwendung. Und Da geht es genau einen Schaden, den RWE verursacht, der so gesehen im Haus von Saúl Siluciano einen Schaden verursacht. Und das ist das Prinzip der globalen Nachbarschaft, konzentriert auf den Fall RWE.

Marlene Becker [00:16:47]:

Marlene Becker [00:17:26]:

Marlene Becker [00:17:26]:

Marlene Becker [00:17:26]: Letzten Endes wird jetzt dieser Paragraf sozusagen auf globaler Ebene oder auf eine globale Ebene gehoben, einfach zu zeigen, im Klimawandel sind auch Saul und RWE NachbarInnen. Weil letzten Endes geht es ja darum, dass Emissionen sozusagen keine Grenzen kennen. Die machen an keiner Ländergrenze Halt. Sie betreffen uns alle. Und genau das ist eigentlich das 1. Mal, dass dieser Nachbarschaftsparagraf in einer Klimaklage in einem solchen Verfahren angewandt wird.

Marlene Becker [00:17:26]:

Marlene Becker [00:17:56]:

Marlene Becker [00:17:56]:

Marlene Becker [00:17:56]: Das Spannende, was der Fall erreicht hat, was den Präzedenzfall geschaffen hat, ist, dass das Oberlandesgericht im Hamm genau diese Argumentation folgt und erst mal im Prinzip sagt, ja, dieser Paragraphen kann hier Anwendung finden und wir können dann einzelne Unternehmen für die Schäden, die es am Klimawandel mit beigetragen hat, auch prinzipiell haftbar machen. Also erst mal diese Anerkennung von dieser Logik, die in der Klage drin ist, hat das Gericht bestätigt. Das ist schon ein großer Erfolg. Deswegen ist das Verfahren so weit gekommen. Deswegen auch die Situation an der Lagune oben. Weil es ja dann eine Beweisaufnahme ist. Und auch Richterinnen vom Oberlandesgericht in Ham sind sogar nach Peru gekommen, sich dort selbst ein Bild von vor Ort zu machen.

Marlene Becker [00:17:56]:

Elisa Thomaset [00:18:34]:

Elisa Thomaset [00:18:34]:

Elisa Thomaset [00:18:34]: Jetzt hast du's schon angeteasert, Marlene, was bisher schon im Verfahren passiert ist. Wir haben dazu auch Saul gefragt, ob er uns noch mal seine Perspektive zum Verfahren wie der Prozess für ihn auch so war als Kläger gegen RWE.

Elisa Thomaset [00:18:34]:

Saúl Lliuya [00:18:53]:

Saúl Lliuya [00:18:53]:

Saúl Lliuya [00:18:53]: Der Prozess zieht sich bereits über einen langen Zeitraum hin. Schon seit acht Jahren läuft er nun. Es ist uns bekannt, dass Gerichtsverfahren oft so lange dauern. Wenn ich darüber nachdenke, muss ich sagen, dass ich eine Antwort erwarte. Hier haben wir, wie wir alle wissen, klare Beweise vorliegen, und jeder erkennt deutlich, dass die Gletscherschmelze stattfindet. Die Berge schwinden dahin, und die Konsequenz davon sind Gletscherszenen sowie Gletscher, die Überschwemmungen hervorrufen können. Ein besonders starkes Indiz ist die Tatsache, dass die Lagune von Palcacocha das 34-Fache ihres ursprünglichen Volumens angewachsen ist.

Saúl Lliuya [00:18:53]:

Saúl Lliuya Original [00:19:30]:

Saúl Lliuya Original [00:19:30]:

Saúl Lliuya Original [00:19:30]: Seit langem. Und jetzt, in der Befragung, hat die Laguna Palcococha 34-mal größer geworden. Und das ist eine bemerkenswerte Probe.

Saúl Lliuya Original [00:19:30]:

Elisa Thomaset [00:19:46]:

Elisa Thomaset [00:19:46]:

Elisa Thomaset [00:19:46]: Man hört an diesem Zitat, finde ich, schon mal, wie lange dieser Prozess dauert. Die Klage wurde eingereicht im November

Elisa Thomaset [00:19:46]:

Saúl Lliuya [00:19:54]:

Saúl Lliuya [00:19:54]:

Saúl Lliuya [00:19:54]: 2015.

Saúl Lliuya [00:19:54]:

Elisa Thomaset [00:19:56]:

Elisa Thomaset [00:19:56]:

Elisa Thomaset [00:19:56]: Also wirklich schon fast 8 Jahre eben. Wollt ihr vielleicht noch mal ganz kurz uns durchführen, wie das nach der Einreichung der Klage weitergegangen ist und wie es jetzt auch weitergehen wird. Ja, die Klage wurde

Elisa Thomaset [00:19:56]:

Saúl Lliuya [00:20:08]:

Saúl Lliuya [00:20:08]:

Saúl Lliuya [00:20:08]: 2015

Saúl Lliuya [00:20:08]:

Marlene Becker [00:20:08]:

Marlene Becker [00:20:08]:

Marlene Becker [00:20:08]: erst mal vom Landesgericht in Essen eingereicht. In Essen ganz einfach, weil da der Sitz von RWE ist. In der ersten Instanz wurde das Verfahren noch abgelehnt, aber wie ich schon gesagt habe, es liegt jetzt beim Oberlandesgericht in Hamm. Und das Spannende ist, dass sich die Klage jetzt hier schon in der Beweisaufnahme befindet. Und vor genau einem Jahr, letztes Jahr im Mai, gab es auch eine Beweisaufnahme in Huaraz. Das war sehr sensationell. Da sind Richterinnen vom Oberlandskrieg Tam nach Huaraz gereist. Da war auch German Watch vor Ort, die Anwältin Roda Verheyen, aber auch die Anwälte von RWE. Und haben sich der ersten Beweisfrage gewidmet. Die erste Beweisfrage beschäftigt sich erst mal Ganz konkret mit der Frage, ist das Haus von Saol einem Flutrisiko ausgesetzt? Das heißt, die Sachverständigen, die auch mit vor Ort war, die das Gericht einberufen haben, die jetzt gerade dabei sind, ein Gutachten zu schreiben, haben sich ein Bild von dem Zustand des Hauses von Saol gemacht und sind auch auf 4.500 Meter Höhe gefahren und haben an der Laguna verschiedene Messungen und Proben entnommen, der Frage nachzugehen. Das heißt, sobald dieses Gutachten dann vor Gericht liegt, können die einzelnen Parteien, also einmal die Seite von Saul und der Roter Verheyen Stellung zu dem Gutachten nehmen und natürlich auch die Anwältinnen von RWE. Und dann wird es noch eine mündliche Verhandlung geben, wo genau die erste Beweisfrage diskutiert wird und würde ein relevantes rechtliches Flutrisiko für das Haus von Saul belegt werden durch diese Gutachten, würde es in die zweite Beweisfrage gehen. Und da geht es dann insgesamt die Frage, ist der Klimawandel schuld an der Gletscherschmelze in den Anden und welchen Anteil hat RWE daran? Und hinsichtlich dieser Fragen gibt es seit der Klageeinreichung auch spannende neue wissenschaftliche Studien, die ziemlich genau sagen, dass der menschengemachte Klimawandel genau und die Lagune zu über 90 Prozent zu beweisen ist. Also, dass die Gletscherschmelze in den Wanden auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen ist.

Marlene Becker [00:20:08]:

Elisa Thomaset [00:21:59]:

Elisa Thomaset [00:21:59]:

Elisa Thomaset [00:21:59]: Und Diese mündliche Anhörung, von der du gesprochen hast, die findet in Hamm statt, stimmt das?

Elisa Thomaset [00:21:59]:

Marlene Becker [00:22:05]:

Marlene Becker [00:22:05]:

Marlene Becker [00:22:05]: Ja, die findet in Hamm statt. Höchstwahrscheinlich wird der Kläger aus Hoher Rast dann nach Deutschland kommen.

Marlene Becker [00:22:05]:

Elisa Thomaset [00:22:11]:

Elisa Thomaset [00:22:11]:

Elisa Thomaset [00:22:11]: Aber da kann man noch nicht sagen, wann genau das sein wird.

Elisa Thomaset [00:22:11]:

Marlene Becker [00:22:15]:

Marlene Becker [00:22:15]:

Marlene Becker [00:22:15]: Nee, leider nicht. Da warten wir natürlich auch drauf, dass das Gericht dieses Datum festlegt. Also, ja, wie Saul schon sagt, es sind acht Jahre inzwischen. Das ist natürlich wirklich eine lange Zeit. Ich glaube, er hätte selber nicht gedacht, dass dieses Verfahren so lange dauern wird. Er hätte

Marlene Becker [00:22:15]:

Marlene Becker [00:22:34]:

Marlene Becker [00:22:34]:

Marlene Becker [00:22:34]: aber auch nicht gedacht, was das für eine

Marlene Becker [00:22:34]:

Marlene Becker [00:22:34]:

Marlene Becker [00:22:34]:

Marlene Becker [00:22:34]: Dimension annimmt. Dieser Beschluss aus dem Jahr 2017, als das Oberlandesgericht gesagt hat, prinzipiell können große Emittenten, wie jetzt RWE, zur Verantwortung gezogen werden, immer dann, wenn eben dieses Risiko auf sie zurückführbar ist. Und dann dieser Beschluss für die Beweisaufnahme, das ist eigentlich schon ein sehr historischer Erfolg mit enormer Signalwirkung. Also von daher können wir eigentlich jetzt auch schon von einer sehr erfolgreichen Klage sprechen. Aber natürlich ist es sehr lang, das Verfahren. Und es ist ja nicht gerade so, dass das Risiko sich verringert. Wir haben ja gehört, jeden Tag könnte es zu einer Flutwelle kommen.

Marlene Becker [00:22:34]:

Elisa Thomaset [00:23:13]:

Elisa Thomaset [00:23:13]:

Elisa Thomaset [00:23:13]: Und neben dem Durchhaltevermögen, das die Klage nicht der langen Dauer von euch abverlangt. Und insbesondere der Gefahrenlage vor Ort für alle Personen, die von dieser Flutwelle betroffen sein könnten. Welche Herausforderungen seht ihr noch bei der Klage oder auch bei eurer Arbeit dazu?

Elisa Thomaset [00:23:13]:

Marlene Becker [00:23:30]:

Marlene Becker [00:23:30]:

Marlene Becker [00:23:30]: So ein Verfahren ist insbesondere für den Kleinbauern aus den Anden ein ungeheuer hoher Kostenfaktor. Also die Gerichts- und Anwaltskosten alleine einen Ortstermin in Huaraz, den auf die Beine zu stellen, ist mit ungeheuer viel Geld verbunden, was man dafür braucht. Und neben German Watch ist auch die Stiftung Zukunftsfähigkeit unterstützt das Verfahren und hat auch Saoul zugesichert, dass die Stiftung die Anwalts- und Gutachterkosten übernehmen wird, oder auch übernimmt, und ist da fortwährend auf Spenden angewiesen.

Marlene Becker [00:23:30]:

Elisa Thomaset [00:23:59]:

Elisa Thomaset [00:23:59]:

Elisa Thomaset [00:23:59]: Und Wenn ihr jetzt diese Klage schon acht Jahre lang begleitet und auch nach wie vor noch begleiten werdet und gerade auch eben auf das weitere Verfahren, sage ich mal, wartet, wie sieht denn eure Arbeit aus in dem Fall? Da haben wir noch gar nicht so viel drüber gesprochen.

Elisa Thomaset [00:23:59]:

Marlene Becker [00:24:13]:

Marlene Becker [00:24:13]:

Marlene Becker [00:24:13]: Ja, wir arbeiten ja besonders in dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Das heißt, wir versuchen natürlich diese Klage und die Geschichte von Saulen in die Öffentlichkeit zu tragen. Genau, haben eine Website, schicken Newsletter raus, haben viele Presseanfragen auch. Die Klage ist natürlich auch sehr interessant für die Medien. Da hatten wir zum Beispiel jetzt auch zum Ortstermin große Medienaufmerksamkeit, dass da einfach viel Pressearbeit auch immer ansteht. Und natürlich auch viel Koordination in Netzwerken. Also der Fall RWE ist ja eine Klimaklage von vielen. Es gibt weitere Klagen gegen andere Emittenten, gegen Shell oder Total. Da tauschen wir uns natürlich auch aus. Wir versuchen, da strategisch gemeinsam Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Und was natürlich auch eine weitere Dimension noch ist, ist die politische Arbeit zu dem Fall. Der Fall wird ja auch bei den COPs, bei den internationalen Klimaverhandlungen, viel erwähnt. Marleno, du warst ja auch in Ägypten bei der letzten COP mit Saül. Einfach so ein bisschen den Fall auch in die ganze Diskussion, Loss and Damage, also Schäden und Verluste mit einzubringen. Also inwiefern eben Verursacher zahlen sollten, damit eben Betroffenen geholfen wird oder damit sie eben sich anpassen können an die Folgen des Klimawandels. Das ist eben auch noch mal eine weitere Arbeit, die wir machen.

Marlene Becker [00:24:13]:

Elisa Thomaset [00:25:36]:

Elisa Thomaset [00:25:36]:

Elisa Thomaset [00:25:36]: Ja, das klingt super spannend. Auch Marlene, wenn du bei dem Klimagipfel in Ägypten mit dabei warst, mit Saoul auch, magst du vielleicht darüber ein bisschen berichten, was ihr da gemacht habt, wie das aussieht für jemanden, der vielleicht noch nie bei so einer Konferenz dabei war, damit man sich das ein bisschen besser vorstellen kann.

Elisa Thomaset [00:25:36]:

Marlene Becker [00:25:53]:

Marlene Becker [00:25:53]:

Marlene Becker [00:25:53]: Ja, diese Klimaverhandlungen, die großen Gipfel, finden ja einmal im Jahr statt und sind immer eine besonders spannende Plattform, mit verschiedensten Menschen aus aller Welt zusammenzukommen, sei es zivilgesellschaftliche Organisationen, seien es UN-Vertreterinnen, seien es Regierungsvertreterinnen. Und für uns war der Klimagipfel in Ägypten ein besonders wichtiger Gipfel, weil die Themen Loss and Damage, was Caro ja auch eben schon gesagt hat, da ein großes Thema gespielt haben. Also was ist Loss and Damage überhaupt? Es gibt auf der klimapolitischen Ebene drei, ich reduziere es mal auf drei Hauptstränge, das sind einmal die Fragen Mitigation, das heißt Reduzierung von CO2-Emissionen, Das andere sind die Fragen der Anpassung an den Klimawandel. Aber das Thema Schäden und Verluste ist mittlerweile auch ein Thema auf der politischen Agenda. Das wurde maßgeblich von dem globalen Süden und insbesondere stark betroffenen Ländern vom Klimawandel weit nach vorne gebracht. Es geht darum, dass es Schäden geben wird durch die globale Erwärmung, die nicht mehr durch Anpassungen zu beheben sind. Das heißt, unter Schäden und Verluste fallen zum Beispiel, unter Verlust kann ganze Staatsterritorien fallen, wie die kleinen Inselstaaten schäden können. Schäden seien beispielsweise durch starke Winde entstehende Infrastrukturschäden. Und diese ganze Debatte stellt eigentlich in einem Brennglas Fragen von Klimagerechtigkeit. Da geht es darum, die Frage, wer zahlt jetzt für die Schäden? Wie auf der einen Seite haben wir dann den globalen Norden, die die maßgeblich Verursacher des Klimawandels sind, und Betroffene wie Saúl oder andere Menschen aus dem globalen Süden, die jetzt dann die Frage gestellt haben, wer bezahlt dafür?

Marlene Becker [00:25:53]:

Elisa Thomaset [00:27:26]:

Elisa Thomaset [00:27:26]:

Elisa Thomaset [00:27:26]: Das heißt ja dann eigentlich, dass der Fall RWE auch wieder diese, wie sage ich, diese Stellvertretung hat für ganz viele Menschen auf der Welt, über die wir auch in der 1. Folge schon gesprochen hatten. Dass Saúl in dem Fall als Kläger für viele Betroffene des Klimawandels steht und RWE für die größten Emittenten. Kann man das so sagen? Würdet ihr da mitgehen?

Elisa Thomaset [00:27:26]:

Marlene Becker [00:27:49]:

Marlene Becker [00:27:49]:

Marlene Becker [00:27:49]: Ja, da würde ich auf jeden Fall mitgehen.

Marlene Becker [00:27:49]:

Marlene Becker [00:27:51]:

Marlene Becker [00:27:51]:

Marlene Becker [00:27:51]: Ja, und Saoul hat auch während des Gipfels auch unterschiedliche Kläger aus aller Welt getroffen. Er hat Kläger aus Australien getroffen, andere Klägerinnen aus Lateinamerika, aus Deutschland, die sich genau zusammengesetzt haben und gesagt haben, ja, wir geben nicht auf, wir kämpfen weiter und setzen uns für Klimagerechtigkeit ein.

Marlene Becker [00:27:51]:

Elisa Thomaset [00:28:08]:

Elisa Thomaset [00:28:08]:

Elisa Thomaset [00:28:08]: Wenn wir langsam zum Schluss kommen, wollt ihr noch mal kurz zusammenfassen, was denn die wichtigsten Punkte sind, was den Fall RWE angeht?

Elisa Thomaset [00:28:08]:

Marlene Becker [00:28:16]:

Marlene Becker [00:28:16]:

Marlene Becker [00:28:16]: Also der Fall RWE zeigt, dass der Klimawandel global ist, dass große Emittenten eben auch Verantwortung übernehmen müssen.

Marlene Becker [00:28:16]:

Marlene Becker [00:28:27]:

Marlene Becker [00:28:27]:

Marlene Becker [00:28:27]: Der Fall RWE zeigt auch ganz gut, wie eine einzelne Klage, die sich jetzt nur in einem Einzelfall dreht, eigentlich viel größere Fragen stellt und nach Verantwortung. Es geht nicht nur Saul. Es geht, wenn wir über Peru denken, die Statua Rass. Und das, was wir mit dem Klimagipfel besprochen haben, die großen Fragen der Verantwortung im Klimawandel und wer haftet so gesehen. Und was die Anwältin von Sauloch immer wieder sagt und was ich auch genauer betonen würde, ist auch, dass Betroffene nicht ohne Rechte sind. Dass Klimaschutz ein Menschenrecht ist und dass sich dafür weltweit Menschen vor den Gerichten stehen und dafür kämpfen. Und dafür ist der Fall RWE ein wichtiges Beispiel.

Marlene Becker [00:28:27]:

Marlene Becker [00:29:07]:

Marlene Becker [00:29:07]:

Marlene Becker [00:29:07]: Und ganz wichtig auch, dass der Fall jetzt schon sehr, sehr erfolgreich ist. Also mit diesem Beschluss aus 2017, wo das Gericht eben gesagt hat, ja, Unternehmen können prinzipiell zur Verantwortung gezogen werden. Das ist etwas, auf was sich Menschen weltweit beziehen können.

Marlene Becker [00:29:07]:

Marlene Becker [00:29:25]:

Marlene Becker [00:29:25]:

Marlene Becker [00:29:25]: Was ich wichtig finde, das haben wir eben schon mal angesprochen, dass diese Klagen nicht die Lösung sind. Es sind nur Einzelfälle, kleine Puzzlesteine. Aber es geht politische Lösungen.

Marlene Becker [00:29:25]:

Marlene Becker [00:29:35]:

Marlene Becker [00:29:35]:

Marlene Becker [00:29:35]: Der Fall RWE versucht, Unternehmen dazu zu bringen, sich ihr Geschäftsmodell noch mal genauer anzusehen und Richtung Transformation weiterzudenken. Wenn Unternehmen vielleicht oder RWE dann vielleicht auf solche Klagen blickt, ist es eigentlich für Unternehmen viel riskanter, wenn immer mehr solcher Klagen aufkommen. Vielleicht ist es da besser, einfach schon von vorne rein das Geschäftsmodell zu ändern oder eben auch Verantwortung zu übernehmen.

Marlene Becker [00:29:35]:

Elisa Thomaset [00:30:02]:

Elisa Thomaset [00:30:02]:

Elisa Thomaset [00:30:02]: Bis es jetzt zur mündlichen Verhandlung kommt, wie kann man denn euch und den Fall unterstützen?

Elisa Thomaset [00:30:02]:

Marlene Becker [00:30:08]:

Marlene Becker [00:30:08]:

Marlene Becker [00:30:08]: Ja, man kann den Fall und auch speziell Seoul direkt unterstützen. Das heißt zum einen über unsere Kampagne »Globale Nachbarschaft in der Krisenkrise«. Das ist ein... Da muss man bei uns auf die Webseite gehen, die verlinken wir dann ja auch in den Shownotes. Und dort gibt es die Möglichkeit einmal sich hinter den Fall zu stellen. Es ist besonders wichtig, dass wir öffentlich Stellung zu dem Fall auch beziehen. Und man merkt, dass es nicht nur Saul ist, sondern viele Menschen es genauso wie Saul sehen und sagen, dass Unternehmen Verantwortung übernehmen müssen. Wir sammeln da Unterschriften, aber es gibt auch die Möglichkeit, Saul direkt eine Nachricht zu hinterlassen, die wir ihm auch regelmäßig übermitteln, wo er sich auch sehr darüber freut, über aufmunternde Worte und über Solidaritätsbekundungen. Wir haben jetzt auch schon Unterschriften weltweit gesammelt. Wir haben auch Menschen aus Indien, aus Pakistan beispielsweise, die schon ihre Mitteilungen an Zoo geschickt haben. Das freut uns sehr. Wir freuen uns immer über Aufmerksamkeit, das heißt, selbst über den Fall erzählen oder auch unsere Newsletter abonnieren. Das sind die kleinen Schritte und wer kann gerne spenden. Wir brauchen auf jeden Fall für dieses Verfahren weiterhin spenden, die Klage weiter zu unterstützen zu können.

Marlene Becker [00:30:08]:

Elisa Thomaset [00:31:13]:

Elisa Thomaset [00:31:13]:

Elisa Thomaset [00:31:13]: Okay, dann vielen Dank für das Gespräch.

Elisa Thomaset [00:31:13]:

Marlene Becker [00:31:16]:

Marlene Becker [00:31:16]:

Marlene Becker [00:31:16]: Dank dir. Danke.

Marlene Becker [00:31:16]:

Saúl Lliuya [00:31:22]:

Saúl Lliuya [00:31:22]:

Saúl Lliuya [00:31:22]: Eure Nachrichten geben mir viel Kraft, diese Sache weiterzumachen. Der Klimawandel betrifft uns alle. Wir sind globale Nachbarn. Und Gemeinsam werden wir dafür kämpfen, dass die großen Konzerne zur Verantwortung

Saúl Lliuya [00:31:22]:

Saúl Lliuya Original [00:31:33]:

Saúl Lliuya Original [00:31:33]:

Saúl Lliuya Original [00:31:33]: gezogen werden.

Saúl Lliuya Original [00:31:33]:

Elisa Thomaset [00:31:45]:

Elisa Thomaset [00:31:45]:

Elisa Thomaset [00:31:45]: Das war die zweite und letzte Folge in unserer Reihe Klagen für Klimagerechtigkeit. Wenn ihr noch mehr über den Fall RWE erfahren wollt, schaut doch mal in unseren Show Notes vorbei. Dort haben wir euch zum Beispiel das Video, von dem wir zu Beginn sprechen, verlinkt, als auch die Website des Falls. Natürlich findet ihr dort auch die Anmeldung zum Newsletter, von dem Caro und Marlene sprechen. Wenn ihr Kommentare und Anregungen zu dieser oder auch unseren weiteren Folgen habt, schreibt uns gerne eine Mail an podcast.germanwatch.org. Gerne nehmen wir eure Ideen auf und gestalten vielleicht schon bald eine neue Podcast-Folge dazu. Und zu guter Letzt, vergesst nicht uns zu abonnieren.