Wie wird Bildung für nachhaltige Entwicklung transformativ? (Transformation gestalten lernen #1)
Shownotes
In dieser Folge stellen sich unsere Kolleg:innen aus dem Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) die Frage, was wir denn eigentlich unter transformativer Bildung verstehen und was diese im Bereich der BNE besonders macht. Gemeinsam diskutieren Marie Heitfeld, Daniela Baum und Stefan Rostock, was einen Lernort transformativ macht, welche transformativen Lernmomente sie selbst erlebt haben und warum es dafür Aha-Momente braucht.
Dabei lernen wir, dass transformative BNE nicht nur einen Lernprozess auf individueller Ebene anstößt, sondern auch gesellschaftliche Handlungsspielräume erkennen lässt und die Frage stellt: Wie können wir kollektiv die uns umgebenden Strukturen verändern? Und letztlich: Wie können wir politisch aktiv werden?
Weiterführende Links:
- Broschüre „Transformation gestalten lernen": https://www.germanwatch.org/de/19607
- Projekt „Handwerkszeug für Zukunftshandeln“: https://www.germanwatch.org/de/zukunftshandeln
- Germanwatch-Bildungsmaterialien: https://www.germanwatch.org/de/bildungsmaterialien
- Den Newsletter zu transformativer BNE abonnieren: https://www.germanwatch.org/de/newsletter-anmeldung-transformation-gestalten-lernen
- UNESCO-Programm BNE 2030: https://www.germanwatch.org/de/20072
- The Climate Case – Saul vs. RWE: https://rwe.climatecase.org/de
Ihr habt Fragen, Anregungen oder Ideen? Dann schreibt uns einfach eine Mail an podcast@germanwatch.org
Folgt uns auch auf Twitter oder LinkedIn und bleibt so immer auf dem Laufenden rund um die Themen Klima, Landwirtschaft, Bildung und Ressourcengerechtigkeit.
Das Transkript wurde automatisch erstellt. Mögliche Fehler in der Audioerkennung können deshalb nicht ausgeschlossen werden.
Idee: Daniela Baum
Redaktion: Elisa Thomaset
Schnitt: Franca Bruder
Musik: perplex
Diese Folge wurde gefördert von Engagement Global mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie von der Postcode-Lotterie.
Transkript anzeigen
00:00:02: Stefan Rostock: Was mir immer am Herzen liegt, wenn wir transformative Bildung machen. Dass dabei auch immer die Zukunft aufscheint, zu der wir hinwollen. Ein Teilnehmer hat das mal ganz toll gesagt Ich brauche einen Wandel, auf den ich mich freuen kann.
00:00:17: Elisa Thomaset: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge im Germanwatch Podcast. In unserer Reihe Transformation Gestalten lernen diskutieren unsere Kolleginnen aus dem Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung, kurz BNE. Miteinander und mit Gästen, wie wir mit Bildung und transformativen Engagement gesellschaftliche Strukturen verändern können. In unserer ersten Folge geht es um die Frage, was wir denn eigentlich unter transformativer Bildung verstehen und was diese im Bereich der BNE besonders macht. Darüber tauschen sich heute Daniela Baum und Marie Heitfeld aus unserem BNE Team mit ihrem Teamleiter Stefan Rostock aus. Viel Spaß beim Zuhören.
00:00:53: Daniela Baum: Ich sitze ja zusammen mit meinen zwei Kolleginnen in unserem Büro tatsächlich unserer kleinen Keimzelle für Bildung für nachhaltige Entwicklung bei Germanwatch. Hallo ihr beiden.
00:01:06: Marie Heitfeld: Hallo.
00:01:06: Stefan Rostock: Hallo.
00:01:08: Daniela Baum: Ja, wie ich schon sagte, wir sitzen jetzt hier in unserem Büro. Genau genommen in deinem Büro. Stefan. Ist das schon transformativ?
00:01:18: Stefan Rostock: Definitiv nicht. Ich bin weder papierlos noch sonderlich innovativ. Das ist nicht transformativ, aber es ist ein gutes Büro, in dem man gut arbeiten kann und von dem viel ausgeht.
00:01:30: Daniela Baum: Ja, das stimmt. Was macht denn so einen Lernort transformativ?
00:01:35: Stefan Rostock: Die Orte, an denen Transformation passiert. Das sind gute Lernorte für Transformation.
00:01:42: Marie Heitfeld: Ja, würde ich auch sagen. Also entweder Orte, wo man tatsächlich auch Veränderungen irgendwie um sich herum beobachten kann, also in der Stadt oder irgendwo auf dem Land, wo ein neuer Windpark entsteht oder wo vielleicht auch. Also krasser Lernort hier in der Ecke der Tagebau bei Hambach, also wo man auch sieht, wo von wo wir wegkommen müssen sozusagen. Ich finde, es können auch transformative Lernorte sein, wenn sie einfach eine sehr angenehme Atmosphäre haben, also einfach Wohlfühlorte sind, wo man dann Ideen spinnen kann, weil es einem da gut geht. Und ich würde auch sagen, ein transformativer Lernort für mich ist einer. Wo eben das Drumherum auch schon so gestaltet ist, wie wir es uns für eine nachhaltige Zukunft vorstellen. Also die Kantine nachhaltiges Essen hat oder ganz viele Fahrradständer und ausladende Fahrräder vor der Tür gibt. Oder solche Dinge. Wo du gerade sagtest Hambacher Tagebau hier im rheinischen Revier, da hatte ich tatsächlich auch mal so ein Erlebnis, wo ich dachte so, oh wow, das ist wirklich ein transformativer Lernmoment, als ich dort war. Das war 2018, als es noch um die Frage ging, ob der Hambacher Wald dem Tagebau weichen muss oder nicht. Und da hat der Michael Zobel, so ein Umweltnaturpädagoge und Förster, seine Spaziergänge dort angeboten und es waren mehrere 100 Menschen, von nicht mal einem Jahr alt, bis über 80 dort im Wald versammelt und haben sich angehört, was Michael Zobel zur Geschichte dieses Waldes erzählen konnte. Und wir sind dann in den Wald rein und das war ganz faszinierend. Dann kamen sollten sich dort die Baumhaus Bewohnerinnen von oben ab. Und die Besucherinnen standen dort und hörten ganz fasziniert zu, wie sie erzählt haben, wie sie das dann überhaupt machen.
00:03:36: Daniela Baum: Wie funktioniert das, in so einem Baumhaus zu wohnen, quasi über einen längere Zeitraum. Und das war so toll, weil das so eine ganz eigene, ganz offene Atmosphäre war und so ein wirkliches Interesse aneinander. Und das war für mich so ein ganz bezaubernder Moment damals.
00:03:51: Marie Heitfeld: Also mir fällt ein Beispiel ein. Das hat auch ganz viel mit Gemeinschaft zu tun. Also zu merken, wenn ich mich irgendwie mit anderen zusammen tue, kann ich was bewirken. Das war konkret bei einer Veranstaltung, wo verschiedene Vertreter von Studierenden, Initiativen, Verbänden, Vereinen, Jugendgruppen zusammenkamen. Und es ging so ein bisschen um die Frage Wie können wir Veränderungen in unseren Rahmenbedingungen um uns herum mit bewirken, mit gestalten. Und ich habe damals auch studiert und bin auf andere Vertreter von Studierendeninitiativen gestoßen. Und wir haben so einen krassen, enthusiastischen Moment erlebt, wo wir erkannt haben so wow, wir können nicht nur irgendwie unser eigenes Verhalten verändern, sondern lass uns zusammentun, lass ein Positionspapier schreiben. Das versuchen die Hochschulen in Deutschland nachhaltiger zu machen. Wir haben tatsächlich uns mit vier Initiativen dann über zwei Jahre lang getroffen, ein Positionspapier geschrieben, dazu Veranstaltungen gemacht, mit vielen Rektorinnen ins Gespräch gekommen. Und genau bis heute sehe ich das manchmal irgendwo, dass das zitiert wird. Und so glaube ich, dass es schon irgendwie was angestoßen hat. Und ich glaube, das lag ganz krass an diesem initialen Moment, an diesem Aha Moment. Wow. Wir haben hier irgendwie Möglichkeitsspielraum und lass uns das anpacken. Also so ganz viel Enthusiasmus lag da drinne. Das war für mich so ein transformativer Lernen Moment und der hat ganz stark mit diesem verbindenden Zusammentun mit anderen zu tun gehabt.
00:05:14: Stefan Rostock: Mein Lieblingsbeispiel ist aus dem Fall Saul, der peruanische Bergführer, der ja gegen RWE klagt. Und als diese Klage dann das zweite Mal erfolgreich beim Oberlandesgericht Hamm eingereicht worden ist und in dem Augenblick, wo das Oberlandesgericht Hamm die Klage angenommen hat. Da es in Deutschland Rechtsgeschichte geschrieben worden. Und das finde ich so ein Ort, an dem man Transformationen, also die Veränderung unseres Rechtssystems, das die Folgen der Klimakrise nicht mehr auf die Hauptbetroffenen der Klimakrise abgewälzt werden, sondern dass die Verursacher auch in die Verantwortung genommen werden. Das hat so viel Veränderung bewirkt, dass ich das als mein Paradebeispiel für einen Ort, wo man Transformationen erleben, erfahren konnte, sehe.
00:05:59: Marie Heitfeld: Ich finde es wichtig, an der Stelle aber kurz drüber zu sprechen. Was verstehen wir überhaupt unter transformativer Bildung? Weil das ja irgendwie so ein bisschen auch ein Modebegriff oder so ein neuer Begriff ist und da nicht für die eine Definition sozusagen gibt. Vielleicht. Aber für mich hat eine transformative Bildung entfaltet eine Wirkung auf zwei Ebenen. Also für mich ist eine Bildung dran, transformativ oder BNE, dann transformativ, wenn es sowohl so einen transformativen Lernprozess auf der individuellen Ebene anstößt. Also ich durch ja, vielleicht solche Lernerfahrungen wie die, die wir gerade geschildert haben, vielleicht durch irgendwie krasse Ahamomente oder auch überwältigt sein von von Schönheit, von Natur oder im Gegensatz ein verzweifelt sein über Zerstörung von Natur. Also durch irgend so ein Ereignis, das in mir persönlich so ein disruptiver Moment ausgelöst wird, der oft auch mit negativen Emotionen in Verbindung steht und von dem ausgehend ich dann hinterfrage, wie ich eigentlich bisher so die Welt betrachte, wie ich meine Verantwortung an der Welt wahrnehme und dass ich dann im besten Fall aus diesem disruptiven Lernprozess dazu komme, dass ich irgendwie eine Alternative wahrnehme und mich entscheide. Entweder oder ist einfach. Dazu kommt in der Entwicklung, ob bewusste Entscheidung oder nicht, dass ich meine Sicht auf die Welt, meine Einstellung und vielleicht auch mein Verhalten verändere. Das wäre so für mich so ein individueller Lernprozess, ein transformativer Lernprozess, den eine transformative Bildung im besten Fall auslösen kann. Und dann geht für mich aber eine transformative Bildung auch nochmal auf eine andere Ebene. Also BNE kann eben auch auslösen, dass Menschen ihre Handlungsspielräume erkennen, die über ihr individuelles Verhalten hinausgehen. Erkennen. Wow, Ich kann vielleicht auch an den notwendigen sozial ökologischen Veränderungen, die wir in unserer Gesellschaft brauchen, mitwirken. Und wo kann ich das? In meinem Umfeld? Und die dann losgehen, sich mit anderen zusammentun und sich engagieren. Und das wiederum kann natürlich dann auch zu einem innergesellschaftlichen Transformation beitragen. Und ich persönlich finde halt, dass es total wichtig ist, dass BNE in der heutigen Zeit eben zu einem politischen Engagement befähigt und nicht nur zu einer individuellen Verhaltensänderung.
00:08:09: Stefan Rostock: Zwei Aspekte, die da für mich ganz wichtig sind. Das eine ist, dass man Bildung als etwas versteht, was nicht in einem Klassenraum passiert, sondern was immer mit dem realen politischen Leben oder dem realen Leben zu tun hat. Und das zweite ist, dass ich wegkomme von Wir machen jetzt eine einmalige Aktion, sondern ich direkt reflektiere, wo können wir eine Veränderung erreichen, die dann auch bleibt, so dass wir, wenn wir schon ein Klima, Aktionstag oder sonstigen Aktionstag planen, direkt mit planen. Was ist denn nach diesem Aktionstag anders wieder vor? Was ist bleibend anders, damit auch wirklich ja Transformation stattfindet. Und das kann auf ganz vielen Ebenen passieren.
00:08:49: Marie Heitfeld: Also in meiner Wahrnehmung hat sich da ehrlich gesagt in den letzten Jahren ziemlich viel verändert, also das in meiner Wahrnehmung noch vor fünf Jahren auch Bildungsakteure zögerlicher waren, was politischere Handlungsoptionen in der BNE angeht. Was sind Hinterfragen von strukturellen Rahmenbedingungen, die eben nicht nachhaltig sind, also systemisches Hinterfragen angeht, dass eine größere Offenheit für politische Bildung als BNE entstanden ist. Und ich glaube, dass das ganz stark auch eben mit dem steigenden Problembewusstsein zusammenhängt, also dass durch Fridays for Future einfach die Klimakrise und ihre Ausmaße viel bewusster vielen Menschen geworden sind und die Dringlichkeit zu handeln als stärker wahrgenommen wird und dann auch eine stärkere Politisierung bei bei Lernenden, bei Bildungsakteuren stattfindet.
00:09:39: Stefan Rostock: Das Spannende ist, dass wir dabei erleben, dass viele das als erleichternd empfinden, dass sie für die großen, auch globalen Herausforderungen in ihrem eigenen Umfeld aktiv werden können, dass sie nicht in UNO Klimaverhandlungen sich für Klimagerechtigkeit einsetzen müssen, sondern dass sie sehen Ich kann auch dafür sorgen, dass die Mobilität zum Fußballturnier oder das Catering in meiner Schulmensa, dass da Weichen hin zu mehr Nachhaltigkeit gestellt werden.
00:10:11: Daniela Baum: Was ich mich jetzt noch so frage ist, wie ist dann also das eine? Ist ja das ein Lernsetting, sozusagen das Lern Setting. Wie du schon sagtest, Stefan wäre bestenfalls sehr nah an der Realität dran, um transformativ zu sein, also tatsächlich in den Alltag hinein wirken zu können, auch an konkreten Problemen mitwirken zu können. Wie gut gelingt das denn? Wie gut sind diese Wege schon geebnet in das echte Leben hinein? Raus aus solchen Settings, die halt in Anführungsstrichen nur Lernumgebungen sind.
00:10:47: Stefan Rostock: Da gibt es viele gute Antworten drauf. Zum einen ist das Raus in den realen politischen Raum ja oft viel einfacher, als man denkt. Man hat eine Aufgabe. Dass Schüler bei Stadtverordneten bei den Verkehrsbetrieben bestimmte Informationen einholen oder ihre Wünsche mal formulieren. Und allein dieses in Kontakt treten mit der Welt da draußen ist enorm hilfreich. Und dann kommt es auch gar nicht so drauf an, ob die Aktion jetzt erfolgreich ist oder nicht. Denn auch eine nicht erfolgreiche Aktion zeigt sich in der höheren Motivation der Gruppe der Klasse.
00:11:21: Marie Heitfeld: Ich glaube, es kann beide Effekte haben. Also ich glaube, wenn ich einmal überhaupt politisch in so einen Kontakt gekommen bin, kann das mich auch unabhängig vom Erfolg motivieren, weil ich merke Wow, ich bin da aber auch über meinen eigenen Schatten gesprungen und es ist gar nicht so schwer und ich bleibe dann vielleicht auch dran, Gerade weil ich merke, oh, da braucht es jetzt noch einen nächsten Schritt oder so, aber ich glaube, wenn viele Misserfolge da sind, erleben wir ja auch manchmal, dass Menschen dann eher auch resignieren.
00:11:44: Stefan Rostock: Definitiv. Aber die Erfahrung in der Schule ist ja oft, dass man ein, zwei Testballons hat und da erleben es die Schüler motivierend, egal ob die Aktion erfolgreich war oder nicht. Und das ist, das ist das Spannende. Man kann nicht viel verlieren beim Weg raus in den politischen Raum. Man hat die Schüler mit ihren Anliegen in Kontakt gebracht mit den Entscheidungsträgern, die dafür zuständig sind. Und das ist immer eine spannende Lernerfahrung.
00:12:10: Daniela Baum: Wie gut sind da die Schulen als Orte von oder für Transformation oder auch für transformative Bildung?
00:12:18: Stefan Rostock: Es gibt ja immer den inneren Schulbereich, das, was da unterrichtet wird und die Inhalte der Schule und dann den äußeren Schulbereich, für den der Schulträger zuständig ist. Wir merken aber, dass das mehr und mehr zusammenwächst an der einen oder anderen Stelle, damit wir zumindest mal einen Hauch von whole institution approach lebbar oder sichtbar bekommen, dass sich eine ganze Institution auf den Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit macht. Weil als Schule brauchen wir das ja. Wenn wir glaubhaft Nachhaltigkeit vermitteln wollen, dann müssen wir auch als Institution für Nachhaltigkeit stehen. Sonst wird es schnell unglaubwürdig. Und das merken Schüler schneller als uns lieb ist.
00:12:57: Daniela Baum: Vielleicht dann noch kurz dieses hole institution approach. Das heißt, dass die, die Schule oder die Bildungsinstitutionen tatsächlich auch als sich selbst, als Akteure. Da Nachhaltigkeit wahrnehmen soll und entsprechend auch verändern soll, also wirklich die Strukturen auch in der Institution verändert werden soll. Noch mal so eine Frage zu der grundsätzlichen Frage, was wir denn eigentlich unter transformativer Bildung verstehen, Hat die Tatsache, dass wir jetzt transformative oder dass wir das transformativ vor die Bildung für nachhaltige Entwicklung schreiben, dann auch zur Folge, dass wir andere Themen bearbeiten können oder andere Themen mehr in den Fokus geraten sind als vorher? Vielleicht.
00:13:44: Marie Heitfeld: Also ich sehe jetzt nicht unbedingt neue Themen, weil ich auch gar nicht so den den krassen Unterschied zwischen BNE und transformativer Bildung aufmachen würde, sondern dieses Transformativ steht für einen Anspruch, der vielleicht irgendwie ambitionierter ist, politischer ist, als es vielleicht lange im allgemeinen BNE Verständnis verbreitet war oder in der Praxis umgesetzt wurde. Also wenn man sich alte Dokumente anschaut, die haben schon auch früh irgendwie das politische Handeln auch schon. Ist ja als Gestaltungskompetenz da mit dabei. Aber vielleicht ist auch ein Antrieb von uns, diesen neuen Begriff auch zu nutzen, um irgendwie diese neue Ambition hervorzuheben, dass eben Bildung für nachhaltige Entwicklung stärker zu politischem Handeln befähigen soll.
00:14:26: Stefan Rostock: Und wenn ich Menschen dazu befähigen, dann merke ich ihm in der Bildungsarbeit relativ schnell, dass ich dafür andere Kompetenzen brauche, dass ich dann auch im Unterricht oder auch in der Jugendarbeit ein anderes Werkzeug für diese Prozesse anbiete. Wo ich neue Inhalte kommen sehe, ist, dass die Menschen mehr schauen auf die Zusammenhänge zwischen den Themen Klima und Ernährung, Klima und Mobilität, Gesundheit und Klima. Und das ist spannend, weil genau in diesen Schnittstellen dann auch neue Ideen, neue Themen, neue Aktionsformen aufbrechen.
00:15:01: Daniela Baum: Es geht ja auch, denke ich, ein Stück weit darum, dass wir, also so nehme ich auch unsere Arbeit wahr, dass wir die Menschen ja auch befähigen wollen, dazu, transformativ wirken zu können, also sich engagieren zu können. Und dazu brauchen sie auch bestimmtes Handwerkszeug. Was ist das, was man da braucht, um wirklich transformativ agieren zu können? Was geben wir den Leuten damit an die Hand?
00:15:24: Stefan Rostock: Ich starte mit dem kurzen Rückblick auf das neue UNESCO Programm BRD 2030 UN Organisation, die für Bildung zuständig ist und seit 2002 macht die sich Gedanken rund um Bildung für nachhaltige Entwicklung und hat jetzt ein Programm entwickelt und 2019 in der UN Generalversammlung verabschiedet. Die erste Zielgruppe von BNE im neuen UNESCOprogramm sind Entscheidungsträger, Entscheidungsträger innen und um die mit meinem Anliegen gut ansprechen zu können. Da merke ich schon okay, da brauche ich dann Wissen einmal das Fachwissen über mein Anliegen. Da brauche ich aber auch Wissen, wie kann ich die jeweiligen Entscheider ansprechen, Wer hilft mir, die anzusprechen? Wie kriege ich Dinge? Kurz und prägnant formuliert, Wie kann ich dieses dann gern nennen wir es gemeinwohlorientierte Lobbying noch begleiten durch einen vorbereitenden Briefen, nachbereiten, den Brief begleitende Medienarbeit. Und da merkt man, da entsteht ein ganz neues Set an Dingen, die gelernt werden, um transformativ tätig zu werden.
00:16:35: Marie Heitfeld: Ja, also jetzt sagen die meisten hast du gerade schon genannt. Ich würde betonen, vielleicht einfach so aus der Praxis Perspektive. Es steht im UNESCO Programm und wir erleben es aber auch gerade in unserer Arbeit. Wir haben ein Projekt, das nennt sich Handwerkszeug für Zukunftshandeln, wo wir Gruppen in genauso einem Engagement begleiten und Workshops anbieten, wo es genau darum geht, diese Skills auszubauen und sich anzueignen. Und genau da geht es ganz viel um dieses Sprechen mit EntscheidungsträgerInnen. Da geht es auch um Argumente, Entwicklung, also Argumentieren, da geht es ums Netzwerke schmieden, da geht es darum zu gucken, ja, wer ist denn noch in einem bestimmten Feld unterwegs, mit wem kann ich mich verbünden? Wer sind vielleicht auch unerwartete Verbündete, die vielleicht besonders überraschend sind und mein Gesprächspartner zu überzeugen? Da geht es aber auch um so was wie Resilienz im Engagement. Also wie kann ich auch mit meinen Ressourcen gut haushalten? Wie können wir innerhalb der Gruppe irgendwie gut zusammenarbeiten? Da geht es um Ziel, Priorisierung. Also ganz viele Gruppen haben viele Ziele, wie sie sich für Nachhaltigkeit in ihrer Schule, in ihrer Hochschule, in ihrer Kommune oder sonst wo einsetzen wollen und sich dazu fokussieren. Stellen wir fest ist irgendwie total wichtig und dabei auch ziemlich schwierig. Oft, wenn man so viel will. Also dazu gucken, wie kann ich priorisieren und zuspitzen, um dann eben diese ganzen Punkte, die Stefan gerade aufgeführt hat, da innerhalb von einer guten Kommunikationsstrategie zusammenzubinden.
00:17:52: Daniela Baum: Und das ist natürlich ganz viel so strategisches Denken. Und ja, wäre cool, wenn das noch mehr Raum in der BNE finden würde. Was würde denn dazu beitragen? Was fehlt dann dafür, dass das noch mehr Raum einnimmt?
00:18:06: Marie Heitfeld: Also ich denke, dass es diesen Perspektivwechsel braucht, dass also von individuellen Alltagshandeln hin zu politischem Engagement zu dem befähigt werden sollte oder kann soll in der Birne. Und ich glaube, dass da gerade auch eine Fokusverschiebung stattfindet. Also ich hab das dieses Jahr in so vielen verschiedenen Konferenzen und Debatten erlebt, dass das zum Thema gemacht wird Politische Bildung und BNE. Wie passt das zusammen? Ist es eigentlich das gleiche? Wo kann das eine mehr, das andere noch beflügeln? Also ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg. Gleichzeitig erlebe ich auch Bildungsmultiplikatoren, die sagen Ja, stimmt, finde ich auch. Aber ich habe selber irgendwie nicht so viel Erfahrung im politischen Handeln und dann da irgendwie so eine Hemmschwelle vielleicht auch. Ich glaube, vielleicht braucht es auch noch mehr Weiterqualifizierung für Bildungsakteur. Eltern, die sich da noch nicht so sicher fühlen. Aber sagen wir, eigentlich finde ich auch, dass wir in unserer BNE stärker politische Bildung machen müssen. Eine Offenheit nehme ich dafür auf jeden Fall wahr.
00:19:03: Stefan Rostock: Das ist das Spannende, dass wir immer im Kontakt mit Akteuren der politischen Bildung sind. Wir merken, dass wir an ähnlichen Dingen leiden. Auch die Akteure der politischen Bildung reden von einer Krise der politischen Bildung in Deutschland. Und ein Statement ist, was in der Debatte dann oft kommt Wer Planspiele macht oder wer Rollenspiele macht und dabei dann stehen bleibt und nicht mehr den Gang in den realen politischen Raum geht. Der hat entweder die Hoffnung verloren, dass das Engagement im realen politischen Raum noch was bewirken würde. Oder er sieht gar nicht die Chance, dass seine Jugendlichen sich da überhaupt einsetzen können. Was natürlich auch fatal ist in der Vermittlung von Politikkompetenz und transformativen Engagement.
00:19:48: Daniela Baum: Eigentlich sehen wir ja gerade eine ganz große, würde ich mal fast sagen, Repolitisierung. Und viele Jugendliche, die auf die Straße gehen, die sich engagieren. Ist das eigentlich ein Ergebnis von erfolgreicher BNE?
00:20:04: Stefan Rostock: Nein, ich fürchte, dass es kein Erfolg von BNE, sondern eine Notwendigkeit durch die Klimakrise. Und es gibt viele, die sich das gerne an den Hut stecken würden, die sie gerne sich mit den Federn schmücken würden dieses Engagements. Aber ich glaube, das sind die Jugendlichen, die durch die Klimakrise zurecht besorgt sind und so besorgt sind, dass sie sagen, es gibt a in der Bildung kein Weiter mehr wie bisher und es gibt auch in ihrem Leben keinen weiter mehr wie bisher. Denn wenn wir uns die Klimagrafiken anschauen, dann hat das zum einen die Botschaft. Die Zukunft wird deutlich unsicher wie die Vergangenheit. Und es hat die Botschaft Gerade Jugendliche haben die kühlsten Jahre ihres Lebens schon hinter sich.
00:20:48: Daniela Baum: Das heißt ja im Umkehrschluss wahrscheinlich sogar, dass freitags vor Future die Proteste auf der Straße eher noch mal ein Impuls waren für die Bildung, für nachhaltige Entwicklung. Transformativer zu werden, weil plötzlich der Bedarf da war, oder? Also was wir ja auch gesehen haben, ist okay. Die Jugendlichen gehen auf die Straße, sie sind verzweifelt, sie protestieren. Und dann ist die Frage was? Was passiert dann? Also wie? Wie kann das kanalisiert werden? Was? Was sind dann die Möglichkeiten, die Handlungsräume, die diese Jugendlichen sehen, sich erschließen können, um tatsächlich beitragen zu können an der gesellschaftlichen Transformation?
00:21:33: Marie Heitfeld: Ja, voll. Also das hatte ich ja eben auch schon versucht, so ein bisschen zu skizzieren, dass ich denke, dass diese Entwicklung, die ich wahrnehme, in der BNE auch was damit zu tun hat, dass gerade junge Leute eben größere Handlungsoptionen einfordern bzw. da stehen und sagen Ja, ich will was tun, was kann ich tun, wie kann ich es tun? Und ich sehe eben so eine Engagementbegleitung auch als die neue Rolle von BNE, aber als eine wichtige Rolle von BNE, wo eben es um diese praktischen Kompetenzen für politisches Engagement geht, wo Räume überhaupt erst mal geschaffen werden, aufgemacht werden, wo Gruppen sich treffen, austauschen können, wo vielleicht Bildungsakteure auch die Rolle haben, die Verbindung zu EntscheidungsträgerInnen herzustellen. Also zum Beispiel Stephan hat es eben angesprochen Schulen, die dann mit Bürgermeisterinnen ins Gespräch kommen, also diese Gesprächskanäle zu öffnen, um das dieses Ausprobieren zu ermöglichen, aus dem dann die Jugendlichen mit ihren eigenen Ideen weiter etwas gestalten können.
00:22:25: Daniela Baum: Für wen sprechen wir dann tatsächlich mit der transformativen Bildung an oder wen können wir ansprechen?
00:22:32: Marie Heitfeld: Es gibt natürlich verschiedenste BNE Akteure, die Expertinnen in bestimmten Bereichen sind und es gibt die Sportjugend, die BNE in Sportvereinen macht und es gibt eine. Habe ich jetzt noch als Beispiel Innovego die BNE in Kitas macht und genau also so würde ich sagen, es gibt natürlich verschiedenste BNE Akteure, die verschiedene Zielgruppen haben und sich auf die Themen in der Ansprache, in der Zielgruppenansprache, in ihrer Materialien, Konzepten usw. einstellen. Und ich würde schon sagen, dass das, was wir so entwickeln rund um transformative Bildung, politische Handlungsoptionen zum Beispiel nicht für Kinder jetzt gerade den Zugang bietet, sondern eher für junge Erwachsene. Und es ist viel kognitiv und strategisch auch ist. Und ich glaube aber, dass diese Angebote dann wiederum andere ergänzen, die zum Beispiel sehr stark auf einer emotionalen Ebene oder mit mit den Händen irgendwie ansetzen. Und da, das ist ja auch nichts Neues, es braucht Herz, Hand und Kopf.
00:23:24: Stefan Rostock: An vielen Stellen bricht die Transformation, die wir brauchen, ja schon auf Und wir merken, dass Menschen ganz unterschiedliche Rollen haben in dieser Transformation und in ihren Rollen muss man sie dann ansprechen und ihnen helfen, die nächsten Schritte zu gehen. Und bei manchen ist es das. Ich habe die Herausforderung verstanden und ich akzeptiere die kommenden Veränderungen, bei anderen ist es mehr. Boah, ich habe so viele Ideen, wie eine zukunftsfähige Zukunft aussehen kann. Ich will unbedingt mitgestalten. Und dann gibt es die, die eher ängstlich im Gestern verharren, weil sie da vieles Bewahrenswerte sehen. Oft auch zu Recht. Und da gilt es, denen Brücken zu bauen, denen beim Trauern zu helfen, das Alte hinter sich zu lassen und sich auch auf den Weg der Transformation zu machen.
00:24:15: Daniela Baum: Herz. Es braucht tatsächlich unterschiedlichste Rollen bei dieser Transformation und wahrscheinlich auch einfach die unterschiedlichen Bildungszugänge. Ich sehe vor allen Dingen auch, dass diese, dieser individuelle Transformationsansatz, also dieser dieser individuelle Lernprozess, der ausgelöst werden sollte bei jedem einzelnen, jeder einzelnen, was es was unterschiedlichste Zielgruppen sehr gut ansprechen kann. Ich frage mich halt, wie diese, diese strukturelle Ebene, also wie gut sie in unterschiedlichsten Milieus funktioniert.
00:24:52: Marie Heitfeld: Fand ich ganz schön, wie Alexander Wonig, ein Politikdidaktiker, mal gesagt hat. Letztendlich die Frage, die er jedem stellen würde, wäre Was stört dich denn? Also was? Was findest du ungerecht um dich herum? Was sollte deines Erachtens ganz anders laufen? Also dass man jeden Menschen, ja jeder Mensch ist irgendwie politisch auf eine Art und Weise, wie er das, was er oder sie um sich herum wahrnimmt, so einordnet und was er als irgendwie gerecht und gerecht empfindet. Das ist eigentlich auch eine Möglichkeit, es jeden irgendwie abzuholen und dazu zu einer Reflexion zu kommen, wo vielleicht in den Rahmenbedingungen etwas anders, besser wäre, gerechter wäre, nachhaltiger wäre. Ich glaube aber trotzdem, dass nicht jeder Mensch die Kapazitäten hat, sich politisch zu engagieren und Rahmenbedingungen um sich herum zu verändern, ob jetzt finanziell, zeitlich oder motivational. Und das ist auch okay. Der Gedanke ist ja auch bei so strukturellen Veränderungen, dass die Rahmenbedingungen nachhaltiger werden und das nachhaltige Verhalten zum neuen STANDARD wird, für jeden, so dass es dann halt leichter ist, sich nachhaltiger zu verhalten, weil es preiswerter oder naheliegender oder weniger kompliziert ist. Dementsprechend muss ja auch nicht jeder Mensch politisch aktiv werden. Aber ich glaube, jeder Mensch hat irgendwie was oder könnte dazu was sagen, wenn man ihnen die entsprechende Frage stellt.
00:26:09: Stefan Rostock: Was mir immer am Herzen liegt, wenn wir transformative Bildung machen. Dass dabei auch immer die Zukunft aufscheint, zu der wir hinwollen. Ein Teilnehmer hat das mal ganz toll gesagt Ich brauche einen Wandel, auf den ich mich freuen kann. Und es gibt immer mehr gute Bildungsmaterialien, die Ideen haben von nachhaltigen Zukünften. Es gibt viele Gruppen, Prozesse, wo noch mal herausgearbeitet wird Was ist uns denn wichtig? Wie wollen wir leben? Zeit spielt eine ganz große Rolle. Natur spielt da eine große Rolle. Und wie kann ich mein Umfeld, wie kann ich aber auch Gesellschaft verändern, dass das, was mir wirklich wichtig ist, stärker zum Tragen kommt?
00:26:50: Daniela Baum: Danke euch für das Gespräch. Ich fand, wir haben in unserem Gespräch den Strauß noch mal sehr schön aufgespannt, was transformative Bildung ist oder sein kann. Vielleicht gibt es auch gar keine hundertProzentige eindeutige Definition des Ganzen, aber ein Anliegen, das dahinter steckt, nämlich die gesellschaftliche Transformation voranzubringen und in dem Sinne dann auch den Lernenden da Kompetenzen mit an die Hand zu geben, Handwerkszeug mit an die Hand zu geben, bei ihnen Prozesse auszulösen, die sie reflektieren lassen darüber, was denn eigentlich? Dass das, was sie stört in ihrem Umfeld und was sie verändern wollen und ihnen aufzuzeigen, wie sie mit welchen Instrumenten, mit welchem Handwerkszeug, wie sie sich kollektiv zusammentun können und dann ja letztlich die Transformation selber in die Hand nehmen können und diese Handlungsspielräume wieder wahrnehmen und vor allen Dingen sich auch immer wieder fragen Was ist das denn eigentlich für eine Zukunft, auf die wir zugehen möchten? Und wie kommen wir da hin?
00:27:55: Elisa Thomaset: Das war die erste Folge in unserer neuen Reihe Transformation Gestalten lernen im Germanwatch Podcast. Wenn ihr gerne noch mehr über transformative Bildung lernen wollt, schaut doch mal in unsere Broschüre, die den Namen dieser Reihe inspiriert hat. Den Link dazu und zu weiteren Materialien zum Thema findet ihr in den Shownotes dieser Folge. In zwei Wochen zeigen wir in einer neuen Folge, wie ein langjähriges Konzept in der BNE, nämlich die Arbeit mit dem CO2 Fußabdruck, transformativ gestaltet werden kann. Unsere Kollegin Marie Heidfeld und Daniela Baum sprechen in unserer zweiten Folge über einen Perspektivwechsel, der Weg vom Fußabdruck und hin zum transformativen gesellschaftlichen Handabdruck geführt hat. Wenn ihr wissen wollt, was es damit auf sich hat, abonniert unseren Podcast und bleibt so immer auf dem Laufenden. Wir freuen uns über eure Kommentare und Anregungen zu dieser in unseren weiteren Folgen. Schreibt dazu einfach eine Mail an podcast@germanwatch.org. Diese Podcastfolge wurde gefördert von Engagement global mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie durch die Postcode Lotterie.